Die Epistemologien der Mediation
Ist die Passivität von Mediatoren ein Beitrag zur Dekolonisierung?
Abstract
Die sozialtheoretische Forderung nach einer Dekolonisierung von Wissens- und Handlungsfeldern suggeriert die Möglichkeit einer unidirektionalen Transformation. Die Ausgangszustände dieser Felder stellen sich allerdings häufig als äußerst komplex und mehrschichtig dar. Der vorliegende Beitrag zeigt am Beispiel der Handlungsorientierungen von Konfliktmediatorinnen und -mediatoren, wie philosophische und ethische Maximen, pädagogische Konzepte, professionsökonomische Orientierungen, Einbindungen in Diskurse der Berufsbranche sowie persönliche Weltsichten sich zu Arbeitsstrategien amalgamieren, die am Ende nur noch schwer vor dem Hintergrund dekolonialer Ziele einzuordnen und zu bewerten sind. Während die Lehrbuchliteratur gemeinhin unterstellt, dass professionalisierte soziale Tätigkeiten an sozialtheoretische epistemologische Konzepte rückgebunden sind, lässt die Literatur zur Mediation einen Bruch deutlich werden: So ist die Handlungspraxis vielfach losgelöst von theoretischen epistemologischen Grundlagen. Stattdessen werden aus der Praxis rekonstruktiv Stile und best-practice-Modelle herausgearbeitet, die zwar Parallelen zu den sozialtheoretischen Grundlagen aufweisen, aber nicht mehr explizit an diese rückgebunden werden. Aus diesen Überlegungen kann gefolgert werden, dass Forderungen nach Dekolonisierung an partikulareren und spezifischeren Handlungsaspekten ansetzen sollten, um vermeiden zu können, dass sie an der vorgefundenen Komplexität ausgebremst werden. Handelnden in der Mediation könnten umgekehrt zusätzliche handlungsethische Klarheit gewinnen, wenn die hier skizzierten epistemologischen Komplexitäten beispielsweise in Mediationsausbildungen expliziter thematisiert werden.
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